»Hackedicht durch die Nacht, Tunnelblick…« grölen die sechs Mädchen im Theaterstück »My only friend, the end«, das Annette Müller mit der Jungen Theaterakademie inszeniert hat. Längst haben sie ihren Schmerz wieder in Alkohol ersäuft, ihre Ohnmacht gegenüber dem Tod ihres Kameraden in prollige Sprüche umgemünzt. Dabei steht ihnen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Skofs (Caroline Scheringer, 20) Augen sind schreckensweit offen, denn er hat sich vor den Zug geworfen.Doch nachdem die Eltern ihre Kinder über dessen Tod in dürren Worten unterrichtet haben, wird alles verschwiegen. Das ist das grundlegende Problem des Sextetts, das stellvertretend für eine Generation spricht: »Es passiert nichts.« Das bedeutet nicht, dass man vielleicht in einem Kaff lebt. Vielmehr ist die Wahrheit, was Hannah Adam (16) als Nina nur leise in die Nacht flüstert: Im Prinzip können die Jugendlichen alles machen – was in dieser grenzenlosen Freiheit niemanden interessiert.Dabei, so Janine, gespielt von Sarah Lieser (19), müssten die Eltern ihn doch sehen, den schwarzen Fleck, die Verzweiflung. Doch die Erwachsenen schauen hindurch oder schwelgen in hochtrabenden Plänen für ihren Nachwuchs. Der verkündet längst: »Ich bin nichts.«Die sechs sind auf der Suche nach dem Kick: Was bringt sie dazu, sich zu spüren in diesem Leben, das sie aufs Übelste beschimpfen und für sinnlos halten? Schnakenstiche aufzukratzen? »Das Leben ist lustig – nur nicht ha-ha-lustig«, beharrt Lena, die von Nora Müller (17) gespielt wird. Doch Friede, Freude, Eierkuchen ist nicht: In der Gruppe gibt es Differenzen, wüste Beschimpfungen und tätliche Auseinandersetzungen. Die Gewaltbereitschaft, sie entlädt sich auf einen Jungen, der den Platz des Verstorbenen in der Sportmannschaft eingenommen hat: Fiktiv wird er getreten, das Opfer liegt längst am Boden.Die Mädchen, zu denen auch Coli (Hanna Füger, 15) und Darja (Sophia Saier) gehören, wollen sich an der Unglücksstelle treffen. Doch die Probleme brechen aus den Teenagern nur so heraus: In ehrlichen Monologen ohne coole Fassade. Dann surfen sie im Windkanal des Tunnels, und die Lichter des Zuges kommen auf sie zu.
Müller lässt Raum für körperliche Expression. Verzweiflung und Wut brechen sich Bahn in einer Trommelperformance, die Musikpädagoge Peter Heidler mit der kleinen Truppe erarbeitet hat: Die alten Blechtonnen auf der Bühne werden umgemünzt, die Mädchen im schwarzen Trikot hämmern darauf ein. Die restliche Musik, sehr zurückhaltend, stammte von Christian Kessler und war vom Doors-Song inspiriert.
Autorin war vor Ort
Im Publikum saß Martina Clavadetscher, die Schweizer Autorin des Stücks. Die Offenburger Inszenierung hat ihr sehr gut gefallen. Insbesondere freute sie und ihre Dramaturgin, »dass sich hier gezeigt hat, dass das Stück auch auf einer anderen Bühne trägt«.
Weitere Aufführungen: Dienstag, 3., und Mittwoch, 4. März sowie Dienstag, 28. und Mittwoch, 29. April, jeweils um 20 Uhr im Salmen.
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