„Kauf dich glücklich“ ist das erste Stück der Jungen Theater-Akademie Offenburg.
(OFFENBURG). Brechtsche Epik samt der Suche nach dem rechten Weg, bissige Satire auf die Welt der Selbstdarsteller und Selbstdarstellungen in Politik, Medien oder auch
Facebook, ernst gemeinte Ratlosigkeit hier, Modelle der Hoffnung dort. Und der Einsatz medialer Mittel wie Video- und Bildprojektion in Verbindung mit stark körperorientiertem Theater…
Und das Erstaunliche: Daraus entsteht kein Kessel Buntes, keine Beliebigkeit, keine schicke Schnipsel-Ästhetik. Die 21 Bilder von „Kauf dich glücklich“ wirken wie ein Strudel, ein Wurmloch. Es ist das erste Stück der Jungen Theater-Akademie Offenburg als schulübergreifende Theater-AG, geleitet von der Theaterpädagogin Annette Müller. Sie ist zugleich Regisseurin beim Theater im Gewölbe. Vier aus dieser Truppe haben mit 13 jungen Akademie-Darstellern dieses Stück er-improvisiert. Annette Müller hat die Ideen in einen Fluss gebracht, der mitunter so rasant ist, dass er schier überschwemmt. Es geht um Sinnfragen in der Welt der millionenfachen Möglichkeiten heutiger Spannendes bot die schulübergreifende Theater-AG. Foto: Christoph Breithaupt Offenburger Jugendlicher, ob Gebrauchs- und Genussartikel, Informationsschnipsel oder Daseinsentwürfe. Das Stück beginnt raffiniert. Die Zuschauer der Premiere am Donnerstag werden einzeln in den Salmensaal eingelassen, teils gebeten, ein Bühnenelement mit nach oben zu nehmen und unter Anleitung zu platzieren. Dafür gibt es, wenn alles Platz genommen hat, den kollektiven Dank der „Kauf dich glücklich“- Community, Clubmitgliedschaft, Bonuspunkte, Freizeitangebote inklusive. Was der Tankstelle recht ist, ist dem Theater billig.
Die 17 Darsteller versammeln sich auf einer Fähre und lassen sie kraft ihres Körperausdrucks Gestalt werden. Dazu schwirren ihre Gedanken laut durch den Raum.
Sehnsucht nach Berührung oder Keksen, Angst vor Beziehung, Karrierepläne oder auch einfach nur „Mir ist schlecht!“ Daraus entsteht der Bilderwirbel: Drei Kultusministerinnen werben damit, das Optimum für die Schüler „herzustellen“, bis ihre Redeschlacht in einer Kakophonie endet.
Eine ältere Frau sucht nach einem Heiratskandidaten. Am Ende steht der verräterische Satz: „Den kauf’ ich!“ Einkaufslust wird mit Kinderarbeit, Medienkonsum mit Fukushima-Bildern gegengeschnitten. Mitunter führt das Überangebot zur Verengung: Eine Frau flippt aus, weil im Supermarkt ihre Kekssorte weg ist, ein junger Mensch will ein Schreibtisch sein, weil daran getan wird, der Schreibtisch nicht selbst tut. Eine groteske Modenschau unter dem Motto „Polymüll“ wird zum Manifest der stets eingeforderten „Individualität“. Daneben steht der innig vorgetragene, schlichte Wunsch, Sinn zu finden und schuldlos zu sein. Den Bühnenhintergrund bildet eine Mauer aus Einkaufstüten – als Offenburger „The Wall“, zugleich Projektionsfläche für Filmsequenzen.
Im Kern ist „Kauf dich glücklich“ Jugendtheater, doch die Bilder, die es entwirft, treffen eine Aussage für und über uns alle. Ein bisschen Lösung gibt es auch, in der Figur eines Mädchens, das vom Jahrmarkt der Möglichkeiten unberührt schlichte sinnliche Erfahrung genießt: die Weichheit eines Schals, die Fahrt eines Papierschiffchens. Das mag eine Wunschlösung sein. Spannendes Theater ist „Kauf dich glücklich“ so oder so.
Nächste Vorstellungen: 5. und 7. März, 20 Uhr, Salmen Offenburg
Autor: Robert Ullmann
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