Hetze und Konsumdruck: Neues Jugendstück »Kauf dich glücklich« beim Theater
im Gewölbe
Mit der gleichen Unruhe, mit der junge Leute durchs Leben hetzen, drängte das neue Theaterstück der Theaters im Gewölbe »Kauf dich glücklich« durch die Zeit. Die Collage lotet die Befindlichkeiten der Jugend aus – mal oberflächlich, mal nachdenklich.
Offenburg. »Kauf dich glücklich« beginnt schon mit dem Jahrmarkt der Eitelkeiten. Jeder Besucher, der am Donnerstagabend im Offenburger Salmen zur Premiere will, wird einzeln eingelassen und mit Applaus begrüßt. Am Anfang des Jugendtheaterstücks unter der Regie von Annette Müller stehen Fragen, die ein bisschen an das »Berkeley Orakel« erinnern, das Jochen Gertz 1997 mit dem ZKM gestartet hatte. Es wird philosophisch in die Runde gefragt: »Ist es dem PC langweilig, wenn er immer das gleiche Gesicht vor sich hat?«, »Fühlt sich der Erfolg gehetzt, wenn ihm alle hinterherlaufen?« oder auch: »Ist das Leben ärgerlich, wenn sich der Mensch zu Tode hetzt?«
Nicht jede dieser Fragen wird beantwortet, aber für die beiden letzten gibt es am Ende des Stücks eine Szene, in der es aus »Der Frau, der alles zu viel wird« (Caroline Scheringer) herausbricht. Sie fühlt sich gestresst und gehetzt, spricht immer schneller und wird schließlich ohnmächtig hinausgetragen.
Das Bühnenbild ist ebenso schlicht wie aussagekräftig: Weiße Papiertüten bilden die Kulisse und dienen zugleich als Projektionsfläche für einige Videosequenzen. Hinzu kommen einfache Getränkekisten als mobile Elemente. Nur in einer Szene kommen fantasievolle Kostüme aus Plastiktüten zum Einsatz. »Pullover für nur 5,99 Euro« – die Kinderarbeit braucht da nicht zu interessieren.
Ministerrunde
»Ich werde Kultusministerin in Baden-Württemberg«, kündigt eine der jungen Schauspielerinnen an. Drei Minister (Judith Freist, Konstantin Henßler und Nora Müller) verkünden daraufhin ihr Programm. Die Auseindersetzung mit der Realität – mit dem Lehrermangel, der verwirrenden Auswahl an Schulmodellen, dem Eindruck, dass es nicht mehr um den Menschen geht – wird in ironische Reden gepackt, die in einem Stimmengewirr enden.
Großartig ist das Solo von Julius Windisch als Schreibtisch. Er wollte das schon immer sein, sagt er, und berichtet über seine Erlebnisse als Schreibtisch eines Kunststudenten. Dabei stört er sich am raschen und häufigen Wechsel der Freundinnen – auch bei den Beziehungen blitzt das Thema Konsum durch. Wie sehr die Konsumhaltung auch schon die Partnerwahl bestimmt, zeigte noch deutlicher Silke Mahnke als Frau auf der Suche nach einem Mann. Bestellt wird natürlich im Internet
– die wichtigsten Eigenschaften werden ja gleich genannt. Schweißer? Glatzkopf? Heavy-Metall-Fan? Nein danke.
Zum Gegenpol zu dieser überdrehten nur auf Äußerlichkeiten bedachten Lebensart wird das Meer: Es bildet einen Ruhepol und verweist aufs eigene Ich, das wahre Gefühl. Doch das ist nicht gefragt: Man muss cool sein, die Gefühle unterdrücken, bloß keinen sehen lassen, wie es in einem drin aussieht.
Das Stück, in dem auch einige Tanzszenen zu sehen sind, wechselt zwischen laut und leise, poetisch und prollig, nachdenklich und schrill. Die 21 sehr unterschiedlichen Szenen machen deutlich, dass Annette Müller die Improvisationen ihrer 17 jugendlichen Schauspieler zu einem Stück zusammengefügt hat. Nicht immer kann der Zuschauer den roten Faden erkennen, aber zum Schluss ist immerhin klar: Unsere Gegenwart ist mitunter recht lebensfeindlich und wenig menschengerecht.
Weitere Aufführungen: 5. und 7. März, jeweils 20 Uhr im Salmen in Offenburg. Karten: Bürgerbüro Offenburg und Abendkasse.
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