Annette Müllers neues Stück „Work Replace 4.0 “ hat am 19. Juli in einer ehemaligen Offenburger Spedition Premiere

Theaterexperiment

Foto: Christoph Breithaupt


Theaterbesucher erscheinen mit vollaufgeladenem Smartphone und Ohrhörern zu Annette Müllers neuen Stück „Work Replace 4.0“.

OFFENBURG. „Wie wirkt sich die Digitalisierung auf unser Leben aus?“ Das ist die Frage, die die Junge Theaterakademie Offenburg in den Mittelpunkt ihres Stückes „Work Replace 4.0“ stellt. Am 19. Juli ist Premiere im zweiten Stockwerk des Georg Dietrich Areals am Offenburger Güterbahnhof.

„Noch nie war ich bei einer Produktion so abhängig von der Technik“, gibt Theaterleiterin Annette Müller zu. Wie als Beweis dafür treffen mehrere Gäste des Pressegesprächs, bei dem Einblicke in das Stück gegeben werden, mit Verspätung ein. Das Navigationssystem ihrer Autos hatte sie in eine Güterbahnhof-Sackgasse geleitet statt auf das Areal der ehemaligen Spedition hundert Meter weiter nördlich.

Rainer Herrfurth, Sprecher der Betreibergesellschaft des Georg Dietrich-Areals, begrüßte es ausdrücklich, dass das Theaterprojekt sich „eines Themas annimmt, das mit der Arbeitswelt zusammenhängt“. Und nicht nur das, denn die Auswirkungen der Digitalisierung erfassen alle Bereiche des täglichen Lebens, weshalb das Thema in der Inszenierung auch aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachtet wird.

Zehn junge Frauen und drei Männer – alle zwischen 16 und 31 Jahren alt – treten in acht Bühnenräumen auf. Die Bühnenräume sind – per Lichtdesign voneinander getrennt – wie Inseln in der Lagerhalle im zweiten Obergeschoss verteilt. Das Publikum wird in Gruppen durch die Inszenierung geführt und per Smartphone-App (Entwicklung: Visionsbox Ohlsbach) interaktiv eingebunden. „Es ist dennoch ein Theaterstück, keine Mitmachaktion“, betont Annette Müller. Nur eben eines, bei dem das Publikum sich in Bewegung setzt, um von Szene zu Szene zu wechseln. Auch wenn das gesamte Setting hochgradig von der Technik abhängig ist, ein Gang durch die Bühnenlandschaft macht deutlich, dass virtuelle Welten hier in poetische Bilder gegossen werden. Doch die Taktung der Inszenierung – für jede Szene stehen genau zehn Minuten zur Verfügung – wird von der Technik vorgegeben, und überträgt damit eine der Erfahrungen der modernen Arbeitswelt in die Kunst.

Die Fragen nach Künstlicher Intelligenz, Digitalisierung in der Arbeitswelt, Robotik oder Datensicherheit werden in einem Bergkletterer-Setting erörtert. Rund um ein Lagerfeuer sitzen die Zuschauer, wenn das bedingungslose Grundeinkommen als Antwort auf die sozialen Auswirkungen der Digitalisierung thematisiert wird. In einem minimalistischen Zelt können sich die Besucher Gedanken zum Verhältnis Mensch und Maschine machen. Für die virtuelle Klettertour durch die digitale Bergwelt sollen die Besucher sich ausstatten mit voll aufgeladenem Smartphone und In-Ear-Kopfhörern.

Die Junge Theaterakademie will das Stück drei Jahre lang im Programm halten und hat sich schon jetzt darauf eingestellt, dass neue technische Entwicklungen Anpassungen erforderlich machen werden.

Christian Kessler vom Fachbereich Kultur der Stadt Offenburg, der auch am Sounddesign für die Produktion mitgearbeitet hat, freut sich darüber, dass eine neue Räumlichkeit mit einem Theater-Angebot für ein junges Publikum (ab 16 Jahren) bespielt wird. Weitere Aufführungsorte in der Region und ehrenamtliche Helfer für Auf- und Abbau werden gesucht.

Work Replace 4.0. Junge Theaterakademie Offenburg. Premiere ist am Freitag, 19. Juli, weitere Aufführungen am 21., 22., 23., 25. Und 26. Juli. Beginn ist jeweils 20 Uhr. Der Vorverkauf läuft unter anderem über das Bürgerbüro Offenburg, am Fischmarkt. Eintritt: 13,10 Euro. Aufführungsort ist das Georg Dietrich Areal (B3 Richtung Achern, bei der Fußgängerbrücke nach dem Ortsschild Bohlsbach)

von Juliana Eiland-Jung, Badische Zeitung vom 08. Juli 2019